» Gelebte Integration Sie kommen aus Marokko, der Türkei und Tunesien und haben zwei Gemeinsam- keiten: Sie haben sich für eine Lehrstelle im Gastgewerbe entschieden. Und sie sind sicher, ihren Traumberuf gefunden zu haben. Rund 1.500 Schülerinnen und Schüler aus über 70 Ländern besuchen die Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe. „Für mich war die Stelle bei Nordsee eine super Chance“, erzählt Mohammed Marzak. Dafür hat der 30-Jährige, der in Marokko Grundschulleh- rer war, sein Studium der Philosophie und Poli- tikwissenschaften an der Universität Heidelberg abgebrochen. Zufällig habe er eine Lehrstelle als System-Gastronom bekommen; der Job bei der Nord see war nur ein Nebenjob, um sich sein Studi- um finanzieren zu können, erzählt er. Als seine Chefin ihm die Lehrstelle angeboten hat, wollte er die Chance aber nicht ungenutzt las- sen. „Ein weiterer Grund, der mich in meiner Ent- scheidung bestärkt hat, war, dass ich Geld verdie- nen wollte. Jetzt sieht mein Plan so aus, dass ich nach der Lehre ein Aufbaustudium machen will“, sagt der ehrgeizige junge Mann. Ein Ziel hat er im Blick: In fünf Jahren will er Store-Manager sein. Deutsch spricht er fließend – seiner Meinung nach die Grundvoraussetzung, in Deutschland im Berufsleben Fuß fassen zu können. „Viele meiner Freunde bekommen keine Arbeit, weil sie nur schlecht Deutsch sprechen“, sagt Mo- hammed Marzak. Ilker Düzgün: „Mir gefällt es, viel mit Menschen zu tun zu haben“ Schwierigkeiten, eine Lehrstelle zu finden, hatte auch Ilker Düzgün nicht. Nur eine Bewerbung hat er geschrieben und sofort eine Zusage erhalten. „Mir gefällt an dem Beruf, dass man viel mit Men- schen zu tun hat. Weil ich sehr offen und kommu- nikativ bin, denke ich, ist der Beruf das Richtige für mich“, erzählt der 20-Jährige, der in einem Hotel in Schwetzingen lernt. Vor seiner Berufsentscheidung ging er auf Nummer sicher und machte ein sechs Monate dauerndes Praktikum. „Das ist eine gute Möglichkeit, in den Beruf reinzuschnuppern. Auf diese Idee hat mich mein Vater gebracht. Anfangs dachte ich nicht, dass der Beruf mir derart viel Spaß macht“, sagt Ilker Düzgün. Abends und an den Wochenenden zu arbeiten, sei anfangs für ihn ein Problem gewe- sen, mittlerweile jedoch nicht mehr. Man werde schließlich erwachsen, an den Wochenenden weg- gehen, würde dann an Bedeutung verlieren, erzählt der junge Mann, der im Alter von einem Jahr nach Deutschland kam, lachend. Er rät jungen Leuten, die sich für den Beruf Ho- telfachmann interessieren, guten Willen zu zeigen und freundlich zu sein. Dann würde es mit einer Stelle klappen. Donia Ben Hamed ist wie Mohammed Marzak und Ilker Düzgün im dritten Lehrjahr. Sie arbeitet in ei- nem 200 Jahre alten Familienbetrieb in Eberbach bei Heidelberg. Geboren wurde sie in Heidelberg. Als sie sechs Jahre alt war, ging ihre Familie zurück nach Tunesien. Im Alter von 16 Jahren kam sie alleine wieder zurück nach Deutschland. Ihre Eltern waren nicht begeistert, doch die junge Frau hat sich durch- gesetzt. Ein anderer Beruf als Hotelfachfrau kam für die 19-Jährige nicht in Frage. Ihre Eltern haben in Tu- nesien ein kleines Hotel; ihr Vater ist Koch. „Ich habe schon als Kind mitgeholfen. Durch diese Erfahrung war es für mich nicht schwierig, einen Ausbildungsplatz zu finden“, erklärt sie. Ein paar Tage musste sie auf Probe arbeiten, dann hat- te sie die Zusage in dem Drei-Sterne-Betrieb in der Tasche. Sie schätzt an ihrem Beruf, dass sie relativ einfach im Ausland arbeiten kann. Erfahrung will sie auf jeden Fall in anderen Betrieben sammeln. Irgendwann will sie wieder zurück nach Tunesi- en, aus dem einfachen Grund: „Ich liebe meine Hei- mat“, sagt sie. An den Wochenenden zu arbeiten, war für sie nie ein Probleme. „Wir müssen nicht je- den Samstag und Sonntag arbeiten. Das sind Vor- urteile. Außerdem bin ich in einer kleinen Stadt in Tunesien geboren. Dort gab es kaum Weggehmög- lichkeiten. Was man nicht kennt, kann man nicht vermissen.“ Gelebte Integration | 83